Was wir hinnehmen
Der Bundesstaat New York hat gerade den Besitz und geregelten Verkauf von Cannabis legalisiert, und sich damit unter mindestens 14 andere Staaten eingereiht, in denen das völlig legal ist. Die meisten US-Bundesstaaten haben zumindest Marihuana entkriminalisiert; andere haben medizinisches Marihuana legalisiert. Die Drogenvollzugsbehörde (DEA) der Bundesregierung stuft es allerdings weiterhin als Substanz der „Kategorie 1” ein, also in die Kategorie der gefährlichsten Drogen wie z.B. Heroin.
Derweil die Details noch ausgearbeitet werden müssen, bin ich nicht wirklich optimistisch. Irgendjemand hat mal „Ein Satz für jeden Staat der Union” gepostet. Der betreffende Satz sollte dabei den Charakter des jeweiligen Bundesstaates abbilden. Mein persönlicher Favorit war der Satz für Wisconsin: „Zu kalt, um nüchtern zu bleiben.” New York brauchte erwartungsgemäß eine längere Einheit aus zwei Sätzen: „Wenn Du irgendwas besitzt, dann werden wir Dich besteuern, bis Dir die Tränen kommen, und wenn Du an etwas Spaß an hast, werden wir es so lange regulieren, bis Dir der Spaß vergangen ist.”
Wie alle Stereotype enthält auch dieses einen wahren Kern. Der Teil mit der Besteuerung ist verbürgt. Und auch das mit der Regulierung trifft unglücklicherweise zu. Viele Städte, inklusive meiner eigenen, sponsern Sommerveranstaltungen, für die sie alle zwei Wochen an einem Abend die Hauptverkehrsstraße sperren, um auf einer Reihe von Bühnen örtliche Bands spielen zu lassen. Es gibt Straßenverkäufer und die Kneipen und Restaurants bieten Speis und Trank an. Es ist wie ein Straßenfest. Während der ersten paar Jahre war es einfach toll: Man hat sich ein Bier besorgt und lief dann von einer Bühne zur nächsten; wenn man ein neues Bier brauchte, ging man einfach zum nächsten Verkäufer.
Dann erhob allerdings der Staat New York sein hässliches Haupt. Anscheinend gibt es ein Gesetz, das den Außer-Haus-Verkauf von Alkohol zum Sofortkonsum verbietet, so dass die kleinen Bierverkäufer ihren Straßenverkauf einstellen mussten, wohingegen die größeren massive ‚Koppeln‘ einrichteten, in die man (an einem Türsteher vorbei) hineingehen musste, um dort zu bleiben, solange man trank. Wenn man sich eine andere Band anhören wollte, musste man die jeweilige ‚Koppel‘ verlassen und sich in ein anderes Gehege begeben. Der Anblick einer Menschenmenge gesetzteren Alters, die in einer ‚Viehkoppel‘ stehend die Coverversion des Twisted Sisters-Songs „We’re Not Gonna Take It” (Das nehmen wir nicht hin) mitsingen, ist an Ironie kaum zu überbieten.
Deshalb bin ich mir sicher, dass die freie, lockere Bekiff-Dich-Atmosphäre, wie sie in Washington oder Colorado herrschen mag, hier nicht zustande kommen wird. Es gibt bereits Widerstand lokaler Behörden, die keine Cannabis-Ausgabestellen in ihren perfekten „Familien“-Vorstadtvierteln haben wollen und entsprechende Ängste der Bürgerschaft ausnutzen. Wenn also legales Gras verkauft wird, so wird dies wahrscheinlich in „Coffeeshops” passieren, neben Tabakwaren und Dampferuntensilien, höchstwahrscheinlich in irgendeinem Industriegebiet, direkt neben einem Laden für Filme und Hefte „ab 18”.
Natürlich ist Cannabis seit über 50 Jahren eine gängige Freizeitdroge. Und wie legalere Substanzen wie etwa Tabak und Alkohol wird es von einer Menge an Heuchelei begleitet. Die überwiegende Mehrheit probiert in ihrer Jugend eine oder mehrere dieser Substanzen (oder nutzt sie gar regelmäßig), um es in späteren Jahren dann vorgeblich für das größte Unglück zu halten, sollten ihre Kinder die exakt selben Dinge tun, die ihre Eltern einst getan und genossen haben.
Bekanntlich ist Kinder- und Jugendschutz einer der zentralen Schlachtrufe für Prohibitionisten jeder Couleur. Die Nutzung verbotener Substanzen schadet Kindern bzw. verdirbt sie oder schränkt Eltern und andere Erwachsene in der Erziehung ein. Und selbstverständlich wollen gewissenhafte Erwachsene verhindern, dass Kinder dem Anblick oder Geruch derart abartigen Verhaltens ausgesetzt werden.
An einigen Stränden in den USA ist das Rauchen mit der traditionellen Begründung der Abfallvermeidung verboten, um Zigarettenkippen im Sand zu verhindern. Nach dieser Logik müsste jedes andere Produkt, das sich wegwerfen lässt, ebenfalls verboten sein. In diesem Monat war Seaside Heights (New Jersey) der jüngste Urlaubsort, der das Rauchen an Stränden und Strandpromenade verboten hat. Doch dieses Mal mit einem kleinen Unterschied: Besorgte Eltern wollten verhindern, dass ihre Kinder Marihuana zu riechen bekommen, weshalb man das Rauchen von Allem verboten hat.
Die Oceanside High School in Long Island (New York), hat ein Peer-Education-Programm eingerichtet, um Schüler davor zu warnen, dass Alkohol und Marihuana ihre Gehirnentwicklung negativ beeinflussen könnten. Dies ist eine verbreitete Abschreckungstaktik und einer der vorgeblichen Gründe für das Alkohol-Mindestalter von 21 (dem höchsten in der nichtmoslemischen Welt). Zwei Dinge werden hierbei immer verschwiegen: zum einen, dass die Eltern und Großeltern der heutigen Oberschüler im gleichen Alter getrunken und gekifft haben, und zwar offener als heute. Zum anderen, dass wir alle jeglicher Schädigung unserer Gehirnentwicklung durch unsere jugendlichen Fehltritte entgangen zu sein scheinen.
Meines Erachtens werden wir davon noch mehr zu sehen bekommen, je stärker die Legalisierung den Menschen bewusst wird. Aktuell wird über ein Rauchverbot in öffentlichen Parks diskutiert. Man hat eine Studie zum Passivkiffen durchgeführt, und dabei dieselben zweifelhaften Methoden angewandt wie beim Tabakrauch. Laborratten wurden Rauchkonzentrationen jenseits dessen, was ein Mensch je erleben würde, ausgesetzt, und – man stelle sich das vor: Das Ergebnis lautete „schädlich”! Angesichts der sich ausbreitenden Legalisierung und einer ihrer Triebkräfte, dem von Regierungsseite dabei erwarteten Steuergeldregen, ist zu diesem Thema allerdings bislang recht wenig gesagt worden. Ich vermute, dass es im Gegensatz zum Tabak (noch) keine finanzkräftigen Lobbygruppen gibt, die sich der Sache annehmen könnten.