Wo sind die stolzen Raucher?
Juni ist der Pride Month (von Pride = Stolz) und viele Örtlichkeiten auf der ganzen Welt sind wieder in Regenbogenflaggen getaucht, und Paraden leichtbekleideter Leute haben feiern den Kampf der LGBTQ-Gemeinschaft. Anlass ist hierbei der Stonewall-Aufstand vom Juni 1969, als Mitglieder der Schwulen-Community sich gewehrt und das Recht eingefordert haben, so zu sein, wie sie sind, und in sich in der Öffentlichkeit zu amüsieren, wie es ihnen passt.
Und angefangen hat das alles in einer Kneipe: Der Stonewall Tavern in New York. Zu dieser Zeit waren Schwulenkneipen verboten, so dass diejenigen, die es gab, heimlich und illegal existierten und vom organisierten Verbrechen kontrolliert wurden. Die Polizei wurde bestochen, sich fernzuhalten, inszenierte allerdings von Zeit zu Zeit Pro-Forma-Razzien, um die damaligen Moralwächter zu besänftigen. Und eine derartige Razzia war es, die das Fass zum Überlaufen brachte, sodass in ganz Greenwich Village über mehrere Nächte hinweg Krawalle ausbrachen. Dies gilt als die Geburtsstunde der modernen LGBTQ-Bewegung.
Heute gibt es in New York City viele Schwulenkneipen, und sie werden ganz offen, mit „Stolz” betrieben. Die LGBTQ-Gemeinschaft ist nicht länger gezwungen, sich im Schatten zu verstecken. Ironischerweise wäre jemand, den eine Zeitmaschine aus dem Jahre 1969 ins Heute transportiert, verblüfft darüber, dass es weitaus mehr Bars für homosexuelle Kundschaft gibt als solche für Raucher!
Derweil die die meisten Angehörigen der Hetero-Mehrheit wahrscheinlich nicht scharf darauf wäre, den Abend in einer Schwulenbar zu verbringen, so würde doch kein unvoreingenommener Mensch ihnen das Existenzrecht absprechen. Sie dienen als wichtiger Zufluchtsort für ihre Kundschaft, als Orte, an denen die LGBTQ-Leute offen sie selbst sein und unter die Leute gehen können, ohne dafür verurteilt oder anderweitig gehemmt zu werden.
Nun ist die von mir gewählte Analogie keineswegs perfekt. Sexuelle Nonkonformisten werden seit ewigen Zeiten ausgegrenzt und verfolgt, wohingegen wir Raucher noch bis vor Kurzem Teil der Mainstream-Gesellschaft waren. Erst eine massive und kapitalkräftige Kampagne hat uns zu Halb-Parias gemacht. Noch vor sehr kurzer Zeit hatten die meisten Nichtraucher keine Probleme damit, den Platz mit uns zu teilen, schon gar nicht an Freizeitorten wie Kneipen. Es ist der Effizienz des Antiraucher-Kreuzzuges geschuldet, dass sich diese Ausgangslage dahingehend gewandelt hat, dass Leute ausflippen, wenn jemand in ihrer Nähe raucht, sogar im Freien.
Wussten Sie, dass vor dem totalen Rauchverbot in New York einige Nichtraucherkneipen eröffnet hatten, um diejenigen zu bewirten, die lieber in einer solchen Umgebung ausgingen? Und die Mehrheit der Nichtraucher blieb diesen Lokalen in hellen Scharen fern. Es scheint, als hätten die nichtrauchenden Barbesucher die Propaganda zum Passivrauch nicht geschluckt oder sie war ihnen einfach nur egal. Schließlich „tötet” einen ja auch der Alkohol. Das war wohl der Moment, so nehme ich an, in dem die Antiraucher-Clique beschloss, den Weg einzuschlagen, alle Wahlmöglichkeiten zu beseitigen.
Heutzutage gibt es nur noch eine Handvoll Bars (4 oder 5?) in New York City, wo man in Innenräumen rauchen darf. In andere Orte bestehen z.T. relativ gastfreundliche Regelungen (und in anderen ausdrücklich nicht). Und wenn auch die nichtrauchende Mehrheit vor einer verrauchten Bar zurückschrecken mag, so hat auch die Gemeinschaft der Raucher das Recht auf Orte, an denen sie sich treffen und entspannen kann, ohne dabei böse Blicke und gekünsteltes Hüsteln zu ernten. Nur ein homophober Spießer würde der Schwulen-Community das Recht auf ihre Zufluchten und Schutzgebiete verweigern; und diejenigen, die uns dieses Recht verweigern, sind in vergleichbarem Maße engstirnig und fanatisch. Sie akzeptieren keine Kompromisse.
Selbst in Gegenden mit erträglichen Kompromissen – dazu fällt einem Österreich ein –, Gegenden, in denen meisten Gastronomie-Innenräume Nichtraucherbereiche sind, es aber etliche kleinere Betriebe für die rauchende Kundschaft gibt, beharren die Antiraucher darauf, den Rauchern jeglichen sicheren Hafen zu verweigern (wodurch sie gleichzeitig ihre Lüge, es gehe ihnen nur um den „Schutz” der Nichtraucher, ad absurdum führen).
Doch wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann, dass nichts von Dauer ist. In den USA wuchs die Anti-Alkohol-Bewegung über fast ein Jahrhundert, um schließlich in einem eigenen Verfassungszusatz zu gipfeln, der die Herstellung und den Verkauf von alkoholischen Getränken verbot. Und dieser wurde später der einzige Verfassungszusatz, der jemals aufgehoben wurde, woraufhin sich die Anti-Alkohol-Truppe für ein halbes Jahrhundert in ihren Löchern verkroch. Und das ist unsere heutige Botschaft der Hoffnung, liebe Gemeinde: Das Blatt kann sich jederzeit wenden. Alles, was es dazu braucht, ist eine kleine Gruppe von Menschen, die zum Schluss kommt, dass sie die Nase voll hat.