Wird das Rauchen in der Smoky Drinky Bar verboten?
Rauchverbote haben Raucher an den Rand der Gesellschaft getrieben. Und da sich Rauchverbote auf immer mehr Orte erstrecken (z. B. Parks, Strände), werden viele Raucher zunehmend in ihren eigenen vier Wänden eingesperrt (wo das Rauchen auch immer mehr verboten wird).
Aber dank des Internets kann die Beschränkung aufs eigene Zuhause einige bemerkenswerte neue soziale Möglichkeiten eröffnen. Internet-Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter haben bereits neue Online-Gemeinschaften geschaffen. Facebook und Twitter sind im Wesentlichen textbasierte soziale Medien. Aber mit zunehmender Nutzung schneller Breitband-Internetverbindungen entsteht eine andere Form von sozialen Medien, in der die Leute von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen, mittels Video- und Audio-Anwendungen auf ihren Computern oder Mobiltelefonen.
Letztes Jahr habe ich die Smoky Drinky Bar auf appear.in eröffnet. Ich nahm ein Foto vom Innenraum einer echten Bar und dekorierte es mit Zigarettenwerbung, einer Dartscheibe, einem „Keine Antiraucher”-Schild und ein paar Aschenbechern, und lud die Leser meines Blogs ein, sich dort zu treffen. Bis zu 12 Personen können gleichzeitig in der Bar untergebracht werden. Und es hat jetzt eine kleine Kundschaft von „Stammgästen”, die sich ein- oder zweimal die Woche dort treffen, um Neuigkeiten auszutauschen, auch Klatsch und Tratsch, oder über Musik reden. Eine neue Gemeinschaft hat sich gebildet. Und zwar eine Gemeinschaft, die den Kneipenrunden stark ähnelt, die durch das Rauchverbot zerstört wurden. Man betritt die Smoky Drinky Bar auf die gleiche Art wie eine echte Bar: Man geht einfach rein. Und sobald man drinnen ist, nimmt man Platz neben dem, der gerade da ist, und kann dann mit ihm reden. Es ist mehr oder weniger so, als wäre man im selben Raum und säße am selben Tisch. Jeder kann die Gesichter aller anderen sehen und deren Stimmen hören.
Das Außergewöhnliche daran ist, dass die Leute, die in die Smoky Drinky Bar kommen, fast überall auf der Welt sein können und das oft auch sind. Und so gehören zu den „Stammgästen” in der Smoky Drinky Bar nicht nur Menschen aus Großbritannien (wo ich wohne), sondern auch aus Irland, Schottland, Dänemark, Griechenland, den Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland. Aber wir hatten auch schon Besucher aus den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Russland. Natürlich ist die Umgangssprache so gut wie immer Englisch. Es könnte aber auch eine andere Sprache sein (und ist es manchmal).
Probleme entstehen durch die verschiedenen Zeitzonen auf der Welt, denn nach Feierabend, wenn sich die meisten treffen, arbeiten oder schlafen viele auf der anderen Seite der Welt. Außerdem treten öfters technische Probleme auf. Breitbandverbindungen können sich verlangsamen, was zu Bild- und Tonausfällen führt. Mikrofon-Rückkopplungen können Lautsprecher zum Kreischen bringen.
In diesem neuen sozialen Medium fehlen einige Elemente, die man aus der Realität kennt. Es ist nicht möglich, in der Smoky Drinky Bar jemandem zu einem Getränk einzuladen oder einem anderen die Zigarette anzuzünden. Weder Händeschütteln noch ein Wangenkuß zur Begrüßung geht, gleiches gilt für den Eins-zu-Eins-Augenkontakt.
Aber dem stehen viele Vorteile gegenüber. Man braucht keinen Mantel, Hut oder Stiefel mehr anzuziehen, um auszugehen. Man muss auch keinen Bus oder Zug mehr nehmen, um von dort wieder nach Hause zu gelangen. Es gibt auch keine Sperrstunde, wegen der man aus der Smoky Drinky Bar geworfen würde. Wenn man geht, muss man sich auch keine Sorgen machen, ob man noch fahren kann.
Ich bin mir sicher, dass ähnliche kleine Bars bald überall auftauchen werden. Diese sind nicht nur für die isolierten Raucher von Wert. Sie sind auch wertvoll für ältere Menschen oder Kranke, die ans Haus gebunden sind, oder Personen, die gerne eine vertraute Stimme in der Muttersprache hören möchten.
Natürlich ist die Smoky Drinky Bar nicht jedermanns Sache. In vielerlei Hinsicht sind öffentliche Bars und Restaurants für Leute da, die es sich nicht leisten können, viele Gäste zu Hause unterzubringen. Als reichen Raucher, der seine Gäste in einer palastartigen Villa immer gut unterbringen kann, würden einen die öffentlichen Rauchverbote überhaupt nicht betreffen. Und wenn man ein Haus mit Wohnzimmer hat, und dorthin Freunde einladen kann, dann spielen staatliche Rauchverbote weniger eine Rolle. Aber wenn man aus welchen Gründen auch immer nicht in diese Kategorien passt, könnten kleine Chaträume wie die Smoky Drinky Bar wie ein Glücksfall wirken.
Die Kontakte, die durch die Smoky Drinky Bar geknüpft werden, haben Einfluss auf das echte Leben. Zum Beispiel werde ich mit weiteren Stammgästen der „Smoky Drinky Bar” einen kranken Stammgast besuchen. Wir treffen uns dann alle zum ersten Mal im wahren Leben. Und in ein paar Monaten werden sich ein paar andere „Stammgäste” aufmachen, mich zu besuchen. Auch mit ihnen habe ich mich im echten Leben noch nie getroffen. Aber durch die vielen Stunden, die wir zusammen in der Smoky Drinky Bar verbracht haben, kenne ich sie alle schon recht gut.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten: Wenn man mit jedem auf der Welt sprechen kann, heißt das auch, dass nicht nur Donald Trump sich in China mit Xi Jinping treffen kann, sondern viele Amerikaner viele Chinesen treffen können. So wird jeder zum Botschafter. Und wenn jeder jeden treffen kann, kann jeder zum Reporter werden. Immer mehr Bilder in Fernseh-Nachrichten stammen von Menschen mit Smartphones, weil keine TV-Kameras zum rechten Zeitpunkt vor Ort waren.
Und zumindest in der Smoky Drinky Bar wird das Rauchen renormalisiert statt denormalisiert. Das wirft die Frage auf: Wird die Tabakkontrolle in Online-„Smoky Drinky Bars“ das Rauchen verbieten wollen? Vielleicht werde ich ja eines Tages feststellen müssen, dass alle Zigarettenwerbung weg ist und durch „Rauchen-Verboten”-Schilder ersetzt worden ist? Zur Begründung wird man die Bedrohung durch Passivrauch 25. Grades (übertragen durch WLAN) als relevante Gesundheitsgefahr anführen.