Gian Turci – 10. Todestag
Am 10. März 2009 schied ein großer Kopf der Antiprohibitionsbewegung dahin. Der Italiener Gian Turci starb im Alter von 58 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit. Er war zuletzt Vorstandsmitglied der Internationalen Koalition gegen Prohibition (TICAP), Vorsitzender von FORCES Italien, Internationaler Koordinator von Freedom2Choose (UK) und CEO von FORCES International. Vor allem in letzterem Amt, das er über viele Jahre ausübte, war Gian die wortgewaltige Stimme, der scharfe Verstand und das organisatorische Nervenzentrum des weltweiten Kampfes gegen Raucherdiskriminierung und weitere Formen des Gesundheitsfaschismus.
Nach seinem Studienabschluss als Ingenieur lebte er ein Vierteljahrhundert in Kanada, einem einst freien Land, dessen schleichenden Niedergang er bitter erfahren musste. Als schließlich die Schergen der Volksgesundheit seine Kinder in der Schule beschnüffelten, ob an ihrer Kleidung Rauch zu riechen war, als sie dort gleichsam verhört wurden, als dem Vater rechtliche Schritte angedroht wurden, wenn er weiter in Gegenwart seiner Kinder rauchen würde, nahm er den Kampf auf. Er, der erfolgreiche Unternehmer im Bereich alternative Kraftstoffe, widmete sich ab 1997 beim wenige Jahre zuvor in den USA gegründeten FORCES mit voller Energie dem Engagement gegen die Prohibition, gegen ein System von Lügen und Zwang, das den Menschen Stück für Stück die Freiheiten nimmt, die das alltägliche Leben bestimmen.
Er verließ, gefolgt von seiner Frau und den Kindern, diesen unerträglich gewordenen Nannystaat und siedelte sich wieder in seiner alten Heimat Italien an, wo er eine FORCES-Gliederung ins Leben rief, deren Frontmann und Leiter wurde. Als Übersetzer und Dolmetscher nur das nötigste Geld verdienend, operierte er unablässig von Genua aus für die Sache, mit ganzer Kraft. „Ich sehe mich als eine Person im Exil – in vielerlei Hinsicht“, sagte er mal in einem Interview über sich.
Von morgens bis abends koordinierte er, initiierte er, schrieb er, redigierte er, übersetzte er, sprach er, konferierte er, wurde er so zum zuverlässigsten Fels in der Brandung, den sich unsere Bewegung nur hat wünschen können. Bis an den Rand seiner Belastbarkeit und darüber hinaus, hat er – mehr als jeder andere bei uns – dem Ziel Freiheit sein Leben geopfert, hat sich bis zuletzt nie geschont. Als Vorstandschef beim damals großen Flaggschiff FORCES International hat er die wissenschaftlichen Aspekte wesentlich betreut, den Multimedia-Einsatz vorangetrieben, viele Kontakte geknüpft, unzählige Analysen und Kommentare verfasst, vielen Mitstreitern hilfreich und schnell zur Seite gestanden. Das klare, kompromisslose inhaltliche Profil, das den Verband lange ausgezeichnet und Organisationen wie das Netzwerk Rauchen inspiriert hat, war nicht zuletzt ihm zu verdanken. Gian stand ebenfalls an der Wiege der 2008 neugegründeten TICAP, wo ihm von überall her die große Anerkennung zuteilwurde, die er als Veteran dieses Krieges – und als solchen hat er die Auseinandersetzung immer klar gesehen –verdient hatte.
Es ging ihm nie nur um den Tabakkonsum, sondern immer um die Freiheit, um die gesellschaftlichen Strukturen, die dem Kreuzzug gegen die Raucher, das Esser, die Trinker und vielem anderen zugrunde lagen. Selbst war er sogar totaler Alkohol-Abstinenzler; als junger Mann schleppte er am Gardasee deutsche Mädels ab, nachdem sich ihre teutonischen Begleiter unter den Tisch getrunken hatten.
Gian Turci war ein überzeugter Libertärer, bestens vernetzt in der italienischen Szene; er übersetzte auch Schriften des klassisch-liberalen Denkers Bruno Leoni ins Englische. Es war immer eine Freude, mit ihm ans Werk zu gehen. Bei allem bestechenden Intellekt und seinem Scharfsinn, bei aller fast maschinellen Verfügbarkeit als Arbeitstier, hat er doch seine Menschlichkeit, seine Warmherzigkeit und seinen Humor, gerne auch tiefschwarz oder sehr derb, nie verloren. Er hatte noch viel vor. Denn die 12 Jahre in der Bewegung hatten ihn abgeklärt werden lassen, aber nie verzweifelt, sondern bleibend begeisterungsfähig für die Sache. Wie abzusehen, konnte die Lücke, die sein Tod in viele Organisationen hineinriss, nicht geschlossen werden; der Rückblick auf die letzten Jahren führt deutlich vor Augen, wie sehr er fehlt.
Aber seinem Beispiel folgend muss und wird der Kampf weiter gehen. Er hinterlässt uns einen Berg von Texten und eine Reihe immer noch sehenswerter Videos, die uns nach wie vor Hilfe und Auftrag zugleich sein können. Und er lebt weiter in vielen von uns, die ihn als vorbildlichen und tapferen Streiter in Erinnerung behalten werden, auch in mir. Von Gian Turci können wir lernen, dass wir Opfer bringen müssen für die Freiheit, die wir lieben. Dass wir die wissenschaftliche und institutionelle Verderbtheit bekämpfen müssen und nicht nur deren Symptome. Dass wir Disziplin, Koordination und Ressourcen brauchen.
„Rauchen ist zur Flagge meiner Freiheit und zum Symbol meines Widerstands geworden. Das Rauchen vor irgendeinem Verbotsschild drückt meine Freiheit und Individualität aus. Und wenn mich das zum Kriminellen macht, dann ist das eben so. […] Ich spucke zurück auf jene, die mich anspucken und lache ihre Lügen aus. Ich erkenne die Autorität der Herren und Meister nicht an, ob sie sich ‚Staat’ oder ‚Nichtraucher’ nennen. Ich lecke nicht ihre Stiefel. Ich höre nicht mit dem Rauchen auf, damit ich in die ‚Neue Ordnung’ hineinpasse. Und wäre ich Nichtraucher, würde ich mir sofort eine Schachtel Zigaretten kaufen.” (Gian Turci, 1999)
Die ursprüngliche Version dieses Text ist hier erschienen.