Stämme, das Rauchen und die Aufklärung
Danke für die Einladung zu dieser Gruppe von Freidenkern. Die in diesem Blog vorgestellten Ideen sind weit über das spezifische Thema des Tabakkonsums hinaus wichtig. Sie befassen sich mit der umfassenderen Frage nach der persönlichen Souveränität, dem Recht des Einzelnen, seine eigenen Gedanken und Handlungen zu bestimmen, seine eigenen Mitteln des persönlichen Genusses, ohne Zensur durch selbsternannte Philosophen-Könige. Ich werde diesen Gedankengang in den folgenden Posts weiter ausführen, weil er mit dem wuchernden Einfluss des Kultur-Marxismus, der Postmoderne und der politischen Korrektheit zu tun hat.
Also gestatten Sie mir bitte, mich vorzustellen. Ich bin ein Mann von Reichtum und Geschmack. Na ja, Geschmack. Vielleicht ein bisschen.
Vor meiner Pensionierung im Jahr 2007 war ich siebzehn Jahre und sechs Monate bei einem großen multinationalen Tabakkonzern beschäftigt, wo ich in den Bereichen Marktforschung, Analyse und Prognose tätig war. Davor habe ich für die Firma Coca-Cola gearbeitet, bis ich 1989 „freigestellt” wurde.
Diese Trennung hatte mehr als nur finanzielle oder berufliche Auswirkungen für mich, sie hatte fast existenzielle Auswirkungen. Ich war sieben Jahre lang Teil einer Familie oder vielleicht genauer gesagt eines Stammes gewesen, der weltweit bewundert und geliebt wurde. Wenn ich einer schönen, jungen Frau von meiner Zugehörigkeit zu diesem Stamm berichtete, weiteten sich oft ihre Augen langsam und ihr Kopf neigte sich zur Seite. So kam es zu einer Anzahl von romantischen Eroberungen in meinen wilden Zwanzigern.
Aber 1989, ohne eigenes Verschulden, wurde ich vom Coke-Stamm exkommuniziert. Nur eine geschäftliche Entscheidung, versicherte man mir, nichts Persönliches, als man mir eine anständige Abfindung überreichte. Diese stärkte zwar vorübergehend mein Gefühl der finanziellen Sicherheit, konnte mein Gefühl, an die Seite gesetzt worden zu sein, aber nur wenig mildern. Ich musste bald einen neuen Stamm finden.
Ich bekam einen Tipp von meinem ersten Chef bei Coke, einem Mann namens Suh, einem unflätigen (gibt es auch noch andere?), aber gutherzigen Koreaner. Er wusste von einem Headhunter, der eine Position in einer Zigarettenfirma besetzen wollte, die auf mich gut passen würde. Der Job war besser bezahlt als mein bisheriger. Und ich hatte kein Problem mit dem Rauchen … Ich hatte mich damals stark für Pfeifen und Zigarren interessiert. Also habe ich den Job angenommen.
Aber das war ein ganz anderer Stamm. Wenn hübsche, junge Damen von meiner neuen Stammeszugehörigkeit erfuhren, verengten sich deren Augen statt sich zu weiten, und die seitliche Bewegung ihrer Köpfe war mehr ein Zucken, als ob sie sagen wollten: „Warum? Du wirkst doch eigentlich wie ein anständiger Typ.” Eine von ihnen fragte mich sogar, ob ich die „moralischen ” Implikationen meiner gewählten Position berücksichtigt hätte.
Das hatte ich mit Sicherheit. Aber wir sprachen aneinander vorbei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Sicht der Moral die Standarddefinition des Wörterbuchs war: „Übereinstimmung mit den Regeln des korrekten Verhaltens”. Regeln, die von wem festgelegt werden? Von oben im Einleitungsabsatz genannten Philosophen-Königen? Von den Herdentieren, die ihnen und allgemein verbreiteten Mantras ohne jede empirische Grundlage folgen? Jener hauchdünnen Maßstab, der im Auge des Betrachters liegt, der den Predigern, Politikern und Kultführern als schwacher Ersatz für den strengeren philosophischen Begriff „Ethik” dient? Ich orientiere mich an einer anderer Sicht von Moral, nämlich den der Aufklärung innegewohnten Tradition des klassischen Liberalismus, wie sie von Friedrich Hayek, Isabele Patterson und besonders Ayn Rand vertreten werden.
Der Kern von Rands Philosophie ist, dass Individuen das moralische Recht haben, sogar die Pflicht, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, um ihre eigene Selbstverwirklichung zu maximieren, solange sie nicht der Entscheidungsfreiheit anderer in die Quere kommen. Sie bemerkte auch scharfsinnig, dass die Gesellschaft im Allgemeinen und der Staat im Besonderen die ärgerlicherweise dazu neigen, gegen dieses Gebot zu verstoßen, und anderen ihre Beschränkungen aufzuerlegen, anscheinend um sicherzustellen, dass niemand zu viel Erfolg oder zu viel Spaß hat. Vor allem verabscheute sie die kollektivistische Mentalität; sie preist individuelles Denken und Bemühen.
Rand war selbst Raucherin und hatte über diese Praxis in ihrem großen Werk Atlas Shrugged folgendes zu sagen:
“Ich denke gern an Feuer in der Hand eines Mannes. Feuer, eine gefährliche Macht, gezähmt an seinen Fingerspitzen. Mir kommen oft die Stunden in den Sinn, in denen ein Mann alleine dasitzt und den Rauch einer Zigarette nachdenklich beobachtet. Ich frage mich, was für großartige Dinge in solchen Stunden geboren werden. Wenn ein Mann denkt, ist in seinem Kopf ein Feuer lebendig – und es ist gut, dass er die brennende Spitze einer Zigarette als seinen einzigen Ausdruck hat.”
Rauchen ist in den meisten Fällen eine einsame und kontemplative Tätigkeit. Mehr dazu später.
Wie wir alle wissen, sind Raucher und die Industrie, die ihnen dient, in den letzten drei Jahrzehnten in offensichtlich Position der Schande geraten. Andrew Lewis stellte 2000 in einem Text für das Ayn Rand Institut eine Hypothese auf, warum dies so gekommen sein könnte:
“… die heutigen Linken sind zu dem Schluss gekommen, dass sie einen totalitäreren Staat aufbauen können, indem sie Zigarettenhersteller angreifen. Indem sie ein „öffentliches Bewusstsein” über die Gefahren des Rauchens schaffen, erwecken sie den Eindruck, dass der Staat mehr auf Ihre Gesundheit bedacht als man selbst, daher auch die Notwendigkeit von Medicare und der FDA. Indem sie die Führungskräfte der Tabakkonzerne als manipulative Gauner bezeichnen, erwecken sie den Eindruck, dass nur der Staat die „rücksichtslose Gier” aller Geschäftsleute kontrollieren kann, und rechtfertigen somit eine Kartellrechts-Abteilung im Justizministerium. Durch Gesetzgebung und Strafverfolgung haben sie eine Generation streitsüchtiger, gegen private Geschäftstätigkeit gerichteter, anti-konzeptioneller Anwälte geschaffen, die alles und jeden verklagen. (Die Anwälte, hinter den Anti-Tabak-Klagen sind auch die, die gegen Waffenhersteller und private Krankenversicherer vorgehen, um nur weitere zwei beliebte Zielscheiben zu nennen.)”
Aber warum haben die Mächte, die, im Gegensatz zu, sagen wir, Alkohol, ausgerechnet Zigaretten für ihren schändlichen Plan ins Auge gefasst haben? Richtet Alkohol nicht auch Schaden im Leben der Menschen an? (Nur am Rande: Ich hege keine persönliche Abneigung gegenüber dem Alkohol. Ein Tag ohne Whisky ist wie ein Tag ohne Sonnenschein). Hier ist die einfache Tatsache: Tabakprodukte mögen zwar das Leben verkürzen, sie verschlechtern es aber nicht. Niemand wird obdachlos, weil er zu viel raucht. Noch nie wurde jemand wegen Fahren unter dem Einfluss von Nikotin verurteilt.
Ich habe eine Theorie, die auf den tribalistischen Tendenzen, denen wir alle ausgesetzt sind, beruht.
Im Allgemeinen ist Alkohol akzeptabler und “geselliger” in der höflichen Gesellschaft. Alkohol ist in der Tat die Droge der Wahl der menschlichen Rasse. Wenn überhaupt, dann haben nur wenige Kulturen (Stämme) in irgendeiner Ära ihn nicht konsumiert. Es ist der Dreh- und Angelpunkt des Bacchanal, des orgiastischen Freigeistes, in dem die meisten Stämme gelegentlich ihren Gemeinschaftssinn bekräftigen und eine Zeitlang der Trostlosigkeit ihrer Existenz entgehen. Alkoholkonsum ist meist eine soziale Aktivität. Es ist ein Schmiermittel der menschlichen Interaktion und in diesem Sinne eine kulturelle Notwendigkeit. Die britische Admiralität verstand das und versorgte ihre Seeleute täglich mit Rum. Die USA machten mit dem Experiment der Prohibition in den 1920er Jahren eine schmerzhafte Erfahrung, als eigentlich die ganze Nation kriminalisiert wurde. Nach dreizehn Jahren des Chaos hatte der Staat seine Lektion gelernt und hob die Prohibition auf, was Winston Churchills Beobachtung, dass “man immer darauf zählen kann, dass die Amerikaner das Richtige tun, nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben”, bestätigte.
Tabak ist anders als Alkohol keine kulturelle Notwendigkeit; er ist ein persönlicher Luxus. Und laut Rands Zitat ist Rauchen eine individuellere und einsame Aktivität. Eine der erfolgreichsten Marketingkampagnen aller Zeiten wurde in den 1950er Jahren für Marlboro-Zigaretten ins Leben gerufen. Sie zeigte einen robusten Cowboy, der alleine, wild und frei, durch die offenen Ebenen reitet („Welcome to Marlboro Country”), und beförderte die Marke Marlboro in eine Position der globalen Marktführerschaft, wo sie bis heute geblieben ist.
Der Begriff des autonomen Individuums ist ein moderner, ein Produkt der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts. Wie alle solchen Begriffe ist es in der Großhirnrinde unseres Gehirns zu finden. Umgekehrt ist der Stammesimpuls in einem tieferen, älteren Teil unseres Gehirns, den wir mit den Affen teilen, vergraben. Der Stammesimpuls ist fest verankert und hat die Fortführung der verschiedenen Arten von Spezies über viele Tausende von Jahren sichergestellt. Die Menschen waren nicht in der Lage, außerhalb des Stammes zu überleben. Verbannung aus dem Stamm war ein Todesurteil. Der Nachteil des Stammesimpulses besteht darin, „Anderen”, die bereit sind, für sich selbst zu denken und zu handeln, zu misstrauen. Dieser Impuls verleitet dazu, „Andere” zu dämonisieren, um ein gemeinsames Gefühl der Gruppensolidarität, das „uns gegen die” zu und die Mitgliedschaft in einem Stamm zu bekräftigen.
Die Aufklärung brachte zivilisatorischen Fortschritt, der vor drei Jahrhunderten noch unvorstellbar war. Während die Aufklärung viel dazu beigetragen hat, die tribalistische Tendenz abzuschwächen, können solche tief eingebetteten Tendenzen nicht einfach hinweggefegt werden. In der Tat hat der tribalistische Imperativ im letzten Jahrhundert dazu geführt, dass geächtete Gruppen in großem Umfang unterdrückt wurden, und Millionen von Leben gekostet hat. Und in den letzten drei Jahrzehnten hat der Aufstieg eines postmodernen Neopuritanismus eine neue tribalistische Neigung zur Verteufelung diverser „anderer” entfesselt. Zu diesen „Anderen” gehören Raucher.
In kommenden Beiträgen werde ich verschiedene andere Themen zum Krieg gegen den Tabak untersuchen: den Frontalangriff, der in den 1990er Jahren von verschiedenen Regierungsstellen gegen die Tabakindustrie gestartet wurde, und die Reaktion der Industrie; Minderjährige als angebliche Zielgruppe von Zigarettenunternehmen; die vermeintliche künstliche Erhöhung der Nikotinabgabe in Zigaretten; die lächerlichen Behauptungen über die Auswirkungen des Passivrauchens; und mehr. Bis dahin: Die Ohren steif halten!