Brasilien – nich wieder zu erkennen
Dieser text is auf wunschdeutsch geschrieben, einem basisdemokratischen deutsch. Mit ein par prisen ultradoitsh-S (seriös), ultradeutsh-U (unseriös) und kaudadeutsh.
Als ich nach langer zeit in den 90er jahren wieder mein land Brasilien besuchen wollte, sagte ich meiner partnerin, sie wird bald sehen was toleranz is – für europäer is das wort ein fremdwort geworden. In Brasilien haben raucher keine probleme, und der gast is könig, also darf er auch rauchen wenn er ein raucher is. Aber schon bei der ersten busfahrt merkte ich dass es nich mehr ganz so is. Bei busfahrten im gleichen bundesstat durfte man nich mehr rauchen, aber das war eine fahrt in einen andren bundesstat, und da durfte man es noch. Also hab ich mir eine zigarette angezündet. Wir saszen in der mitte, und ganz vorne stand ein typ auf und grölte, dass es verboten is, im bus zu rauchen. Ich fragte ihn, wo denn ein schild mit rauchverbot zu sen is, und als er keins sa, sagte er, es is trotzdem verboten. Ich erklärte ihm, dass nur bei farten innerhalb des bundesstates das rauchen verboten is. Er sagte dann, ich könnte trotzdeem die zigarette ausmachen, weil er astma hat. Und allmälich würd ich entdecken, dass offensichtlich die halbe brasilianische bevölkerung inzwischen an astma leidet. Man erfärt natürlich nur davon, wenn man sich eine zigarette anzündet. Der unterschid in der toleranz war kein räumlicher unterschid zwischen Deutschland und Brasilien, sondern zwischen den alten und den neuen zeiten.
Und es is nich nur astma: vor ein par wochen traf ich den brasilianischen freund eines freundes, und er hatte eine “rauch-alergie”, weshalb wir nich zu eim raucherlokal gen konnten und draussen vor der wirtschaft saszen und froren. Eine studie hat festgestellt dass nur 10% der fälle von angegebenen laktose- und glutenintoleranz wirklich laktose- oder gluten-intoleranz sind, und so wird es vermutlich bei den rauch-alergien sein. Und vermutlich is das nix anders als ein unwolsein, so wie wenn ich den rauch von brennenden reifen einatmen muss – unangeneem, aber ma kriegt davon keine krätze oder hat ein herzstillstand.
In den 70er jaren war ich natürlich nich ser fro, das das land eine militärdiktatur hatte, aber zumindest ging es mit der wirtschaft steil bergauf, das land hatte den gröszten waxtum weltweit. Es war eine diktatur mit walen, die sogar echt waren, auch mit eim funktionirenden kongress, nur, nich wenige populäre politiker der oposition waren im exil und durften nich zurück. Aber weil einiges wie in einer demokratie verlif, nannte man es eine demokratur.
In den 80er jaren kam die demokratie zurück, dafür ging es mit der wirtschaft steil bergab, das land war fast pleite, die inflation betrug an manchen jaren 2000%, es gab an manchen tagen mer inflation als in Deutschland im ganzen jar. Und ich dachte mir, so ein land braucht wenigstens für eine weile eine autoritäre demokratie, wo korupte politiker und wirtschaftsbosse tatsächlich ins gefängnis landen. Ab mitte der 90er jare ging es wider bergauf mit der wirtschaft, Brasilien erreichte den 6. platz unter den volkswirtschaften, und es war auch eines der wenigen länder in denen der unterschid zwischen reich und arm geringer wurde. Ich blib 20 jare lang optimistisch, wenigstens was die wirtschaft und die sozialen reformen betraf. Weniger optimistisch war ich wider, was die demokratie betraf. Kaine frage, es war aine demokratie, aba kaine schöne. Sie wurde in der definizion das was ich mir gewünscht hatte: aine autoritäre demokratie, das haisst mit aina regirung, die gewält wurde, aba imma mer zum autoritarismus tendirte. Und was ich nich erwartet hatte, war, dass ich aines der ersten opfer sain würde. Als raucher.
Demokratie heisst folksherrschaft, und wenn ein folk eine autoritäre regirung will und/oder akzeptirt, dann is das auch eine demokratie, wi zum beispil in Russland oder in der Türkei oder in Deutshland. Wenn ein folk eine minderheit ausradiren will, sei es weil es schon immer so gedacht und gefült hat oder weil der hass fon der regirung oder fon eim bestimmten sisteem fleissig geschürt wurde, dann is das auch folksherrschaft, also demokratie, wenigstens etimologisch geseen. Aber eine schöne, ideale demokratie is das nich, wenn minderheiten zu leiden ham, wenn medien zensirt werden oder der stat menschen umbringt, legal oder ilegal. Dise ideale demokratie gibt es in Europa kaum mer, und in Brasilien noch weniger. Die schönen demokratien verkommen zu etimologishen demokratien, oder ma könnte auch sagen: die demokratien verkommen immer mer zu demokraturen.
Die warnungen an zigarettenschachteln gab es in Brasilien bevor es sie in den meisten ländern in Europa gab, die fotos waren auch zimlich frü da. Und es gab schon vor den verboten immer mer lokale, in denen das rauchen verboten war. Und dann kam das totale rauchverbot in der gastronomie. Nich dass da die exekutive eingegriffen hätte – der präsident Lula rauchte gerne zigarren, wenigstens bis zu seim krebs, und ma sagt, er is dem alkohol nich abgeneigt. Ausserdeem hatte er ganz andre sorgen, wie auch die regirungen vor und nach ihm. Ma war damit beschäftigt, die armut zu bekämpfen. Ma kann bei ländern keine korelazion zwischen rauchen und lebenserwartung feststellen – Japan, Österreich und Griechenland hatten noch vor wenigen jaren die höxten raucherraten der welt, und trozdeem hohe lebenserwartungen, Japan sogar die höxte der welt – aber ma kann leicht a korrelazion zwischen armut und niedriger lebenerwartu feststellen, also is die armutsbekämpfung wichtiger als die tabakbekämpfung. Die Exekutive tut da nich fil gegen die “sünden”, dafür war der Kongress zimlich aktiv. Als der Senat über das absolute rauchverbot abstimmen sollte, gab es eine abstimmung onlein, bei der ma für oder gegen das verbot stimmen konnte. Ca. 2/3 der stimmen waren gegen das totale rauchverbot, trotzdeem hat der Senat für das verbot gestimmt.
Ich nannte das verbot in Bayern ein totalverbot, in Brasil musste ich aber feststellen, dass ma noch vil mer verbiten kann als bei eim totalverbot: dort gilt das verbot nich nur fyr innenräume, ma darf auch nich Vor den lokalen rauchen, wenn sie tische und stüle draussen ham und eine markise – auch wenn dise nich ausgerollt is. Es wurde zum verbrechen, a schmaucher schutz gegen regen, kälte oda pralle sonne anzubiten. Es war klar: in a land, in dem 3 von 5 regionen übahaupt kein winta kennen, der den namen verdient, könnte ma shmaucher nich bestrafen, wenn das verbot nur für innenräume gelten würde, da sie einfach draussen sitzen würden.
Vilen abgeordnetenkammern in den bundesstaten war das nich genug, die ham also auch das schmauchen an strenden verboten. Was dise ganzen verbote für ein enderung in der stimmung bewirkt, musset ich mermals erfaren: einmal stand ich vor eim hochhaus, das eine treppe davor hat. I hab mig eine zigarette anzündet, und da kam der sichaheito anrennet, als hätte i grade jemand mit einer axt umleegt: ich war auf der letzten stufe der treppe, unten am gesteig, und die treppe hat zu die hochhaus gehört, also is es da verboten zu smauchen. Ich soll bitteschön den einen schritt machen und die treppe verlassen. Im flughafen ärgert ma sik als smauki, dass es keine smauki-insel gibt, und dann muss man erfaren, dass es noch schlimmer kommen kann: auch Vor dem flughafen is die smauken verboten. Wenn ma smauken will, muss ma bis zu die parkplatz laufen, wo dutzende farende autos für deutlich mer gesundheitsschaden sorgen als wenn ma dutzende von zigarettenschachteln lergeraucht hätte, aber für smaukis war der gesundheitsschutz ni dacht. Auk in die Hotel Mercure war die smauken selbstverständlich verboten, und klar, ich hab die verbit in mei zimmer ignoree. Klar, der rauchmeldor schlägt nich wegen eim smauki alarm, aber die putzis (putzkräfte) werden heutzutage als denunzianten gegen kunden, die rauchen, abgerichtet, und so bekam ich beim auschecken eine rechnung, in der 2 zusätzliche nächte berechnet wurden, als preis für die “spezial-reinigung”. Gab es früher “spezial-reinigungen” als in jedem zimmer geraucht wurde? Sie ham aber doch nix dafür verlangt, und das bei den astronomischen kosten, die fast die hälfte der gäste verursachte! Wieso sind sie vor den verboten nich alle pleite gegangen? Am ende hab ich doch nich gezalt, aber ich musste eine halbe stunde lang mit dem chef diskutee.
Das schlimmste is, dat die meisten menschen offensittlich dat alles für rittli halten. In eim forum las ich mal ein komentu, der ser bezeichnend für die heutige situazion war: ein typ meinte, OK, totalverbot in lokalen, drinnen und draussen, und in jedem innenraum der republik, das muss schon sein – aber smaukuverbot am strand, das findet er zuvil vo die gutu. Das schlimmstu war, das andre diskussionsteilnemer ihn für seine “falschverstandene toleranz” kritisirten, und er selber sa sich als liberalen. Wenn er vor ein par jarzenten so argumentirt hätte, hätte man ihn vermutlich wegen faschistoider fantasien in die klappsmüle gesteckt, und nu get so ein mensch als liberaler durch.
Die medien sprechen gerne von der “mächtigen” tabakindustrie. Aba nach der Forbes-Liste mit den 500 gröszten konzernen sind 8 farmauntanemen unta den 100 gröszten konzernen weltweit, dann kommen noch a ganze menge farmakonzerne, teilweise konzerne von denen ma noch nie gehört hat, bevor der einzige tabakkonzern kommt, Philip Morris. Das is die numma 400. Nu, Brazil war shon in absoluten zalen der fünftgröszte zigarettenkonsument der welt, inzwishen is es auf numma 14 abgerutsht, aber es is immer noch der drittgröszte zigarettenproduzent – vermutlich wird vil exportirt. Da kannat ma meinen, wenigstens in so eim land müssat sich die tabakindustrie locker durchsetzen können, sie müssat nich dauernd von der farmaindustrie geprügelt werden. Si tuts aber nich, weil auch hir die farmaindustrie fil, fil gröszer is. Von den 14 gröszten farmakonzernen weltweit, hat ein einziger keine fabrik in Brazil – die ward vor wenigen jaren slossen. Und wie wir wissen, is die message der branche an die welt: Du sollst nich smauken, saufen, kiffen, sondern pillen nemen! Am besten ein antidepressivum, und weil das so schlapp mak, ein stimmungsaufheller dazu, und weil die kombi so dem magen zusetzt, auch magentabletten. Und schon fand man el ideale kundi.
In Brazil kommt nok ein zusätzlicher faktor dazu: die evangelikalis, die “glaubis”. Vor 30, 40 jaren machten sie keine 5% der befolkeru aus, es waren richtige exoten, inzwischen sind 1/3 der befolkeru evangelikale, also leute die haleluja singen, praise the lord grölen, und in den meisten fällen kreationisten sind, also leute die die stori mit Adam und Eva wortlik interpretiren, wie der aussichtsreichste kandidat für die präsidentschaft, Jair Bolsonaro – wenn Lula nich kandidiren darf. Die evangelikalen sind natürlich eine treibende kraft bei den ganzen verboten, die sind für das verbot von allem, was sünde is, alkohol, hanf, opium, prostituzion, glückspil, und dass tabak smauken sünde is, stet sicher in der Bibel, die gewiss vom treiben der azteken wusste.
Ein evangelikalischer abgeordneter meinte vor ein par jaren, schwule und schwarze sind eine degeneration der natur. Da er grade leiter der Menschenrechtskomission im Kongress war, gab es eine welle der empörung, und um die wogen zu glätten, sagte er, dass nich alles in Afrika schlimm is, da leben ja auch weisse. Jair Bolsonaro widmete im Kongress seine stimme bei der absezung vo die präsidentin Dilma Rousseff dem mann, der sie in den 70er jaren folta ha. Und er sagte in eim interviu, wenn er erfaren würde, dass sein son homosexuell is, dann wärs ihm liber, er wär tot. Von so eim menschen sollten sich konsumenten von substanzen, deren konsum in den augen der evangelikalen (und der farmaindustrie) sündus sind, nich allzu vil gutes erwarten.
Klar, da wär auch die nanny-state-mentalität, die grade über die welt rollt. Und die oft mit der felenden courage von politikern zu tun hat. Irgendein depp schlägt in eim parlament eine neue regelung vor, die etwas – vileicht 0,01% – plus sichaheit verspricht, und kein politiker hat den mumm zu sagen, dass der preis von 1 kilo freiheit zu hoch is für das was ma bekommt, nämlich 1 gramm mer sichaheit. Ma will auch gar nich informirt werden und sich damit beschäftigen – cäme ma zum shluss, dass der preis vil höher is als das was ma becommt, müsste man entsprechend abstimmen, würde zum shwarzen shaf abgestempelt werden und womöglich noh walen verliren.
Auch der alcoholconsum gerät imma plus ins visir der evangelicalen un der farmabranche – bei der ganzen kampagne, die grade (auch in Deutshland) laufe, muss ma fürchten, die population soll für neu verbote prepariert werden. Die brazilis waren schon vor 20, 30 jaren champions im konsum von spirituosen, sowol in absoluten wi in relativen zalen – si tranken doppelt so fil schnaps wi die polskis, die zweitplazirten. Momentan kommen die auf ein jämmerlichen 17. platz – eine schande. Die promille-grenze fürs autofaren wurde auf 0 reduzirt, ma nennt es die ‘Lei Seca’, wie das ‘Dry Law’ im America der 30er jare. Das heisst, wer im abend ein gescheiten rausch hatte, darf im näxten morgen nich faren. Wer sich nich daran hält, kann bis zu 3 jaren im knast verbringen. Wenn jemand in eim unfall getötet wird und ein alkoholisirter farer daran schuld war, wird diser nich wegen farlassiger tötung angeklagt, sondern wegen mordes. An raststett is der alkoholverkauf verboten. Und, klar, es kommt immer öfter vor, dass man in eim restaurant kein alkohol bekommt, weil der besitzer ein evangelikale is. Fundamentalismus is keine erfindung der muslimis. Stet auch in meim alten wahrig-wörterbuch von 1984: Fundamentalismus – radikale richtung der nordam. protestantischen kirchen. Südamerikanischen aber auch.
Aktive dissidenten wurden wärend der braziliano demokratur drangsalirt, torturirt und manchmal auch gekillt. Ich fand die regirung kacke, aber ich war noch ser jung und kein aktive dissident, und so is mi nie was passet. Dafür leid ich als smauki und (normale) drinki unter de heutigen deutshe demokratur – ich wurde besoffen aup dem velo erwischt, ich darf seit mer als ein halbe jar weder auto noch rad faren, und ich hab keine anung wann ich wider dürfen werd. Das leid, die damals den aktiven dissidenten zugefügt wurde, war vil groszer als mein leid heute, dafür treff es nich ein par tausende leute, sondern vile milionen.
Ma hoffte immer, dass länder wie Saudi Arabia irgendwann mal so offen und liberal wie der westen werden, aber offensichtlich wird der westen immer plus wie Saudi Arabia.
Wenn ich meine schwester in irem hochhaus in Sao Paulo besuch, hängt schon vor der garage ein schild, “Hupen verboten!” Ma betritt das grundstück und schon im freien hängen 3 rauchverbotsschilder rum – es is eben verboten, in eim hochhaus zu smauken ausserhalb der eigenen 4 wänden, natural auch im gesamten grundstück, dass zum hochhaus gehört – auch wenn alle bewoner vo die haus smaukis sein sollten. Ma kommt zum lift, und da hängen merere schilder: Es is verboten, gäste mit zum swimming pool zu bringen (ser vile hochhäuser ham in Brazil ein pool). Es is kindern unter 12 jaren untersagt, den lift aleine zu benutzen. Es is verboten, menschen aufgrund irer rasse oder religion zu diskriminiren. Und darunter die denunzirung-hotlein, vermutlich damit ma smaukis denunziren kann. Dann betritt ma den aufzug und da stet immerhin ein schild, das kein verbot is: “Lächeln Sie, Sie werden gefilmt!”