Mailand: Rauchverbot im Freien?
Unseren Europa-Trip hatten wir schon Monate im Voraus zu planen begonnen. Wie immer hatte ich versucht, unsere Ziele so raucherfreundlich wie möglich auszusuchen. 13 der 16 deutschen Bundesländer sehen Raucherkneipen in Innenräumen vor, ebenso wie viele der Schweizer Kantone. Das Vorkommen dieser Raucherkneipen nimmt leider deutlich ab, je weiter man südlich der Alpen reist, aber das wird durch das Wetter kompensiert, das dem geselligen Beisammensein im Freien förderlich ist.
Wir hatten uns für zwei Übernachtungen in Mailand entschieden, da es auf halbem Wege zwischen Konstanz und Sanremo liegt und zudem Heimat unserer Freundes Francesco ist. Im Januar hatten wir bereits das Hotel gebucht und Francesco mitgeteilt, dass wir kommen würden. Eines Abends kam meine Frau zu mir und sagte: „Schatz, ich habe da etwas über Mailand gelesen, das dir nicht gefallen wird”. Weiter erklärte sie, dass Mailand ein Rauchverbot im FREIEN einführe, bei dem man sich im Umkreis von drei Metern um eine andere Person keine Zigarette anzünden dürfe.
In den USA gibt es so etwas de facto schon, denn dort gehört zu einem Tisch im Freien kein Aschenbecher und das Rauchen an der frischen Luft ist oft ausdrücklich verboten.
Diese Nachricht versetzte mich in Bezug auf unsere Mailänder Etappe in eine negative Stimmung, und brachte mir an unserer letzten Station davor, Konstanz, mit seiner reizenden Pilsbar Zur Schmiede, wo ich drei sehr angenehme Abende verbrachte (den letzten davon mit Christoph) eine gewisse Portion Häme ein, bevor wir gen Süden aufbrachen.
Es freut mich, mitteilen zu können, dass das Mailänder Freiluft-Rauchverbot in diesem Universum nicht existiert, jedenfalls nicht in dem Mailand, das ich besucht habe. Auf den Tischen im Freien waren Aschenbecher, und die Leute haben geraucht. Es sah auch nicht nach einer allseits ignorierten Regelung aus, denn es gab noch nicht einmal entsprechende Verbotsschilder. Mir entfuhr ein rauchgeschwängerter Seufzer der Erleichterung.
Das Hotel, in dem wir wohnten, verfügte über eine Bar auf dem Dach mit einem großartigen Blick über die Stadt. Ich beschloss, vor dem Schlafengehen noch eine Zigarette zu rauchen. Als ich aus dem Aufzug trat, begrüßte mich das Personal in Quasi-Smokings. Ich wurde zu einem „Tisch“ geführt – in Wirklichkeit ein verkürztes Brett, das am Geländer befestigt war – und es hieß: „Kollege kommt gleich”.
Ich war durchaus willens, ein Getränk zu bestellen und die nächtliche Aussicht zu genießen, während ich rauchte, aber es kam kein Kollege, also rauchte ich fertig und ging.
Ich erzählte diese Anekdote meinen Begleitern, und alle grinsten wissend, denn wir hatten schon bemerkt, dass der Service umso lässiger wurde, je weiter wir nach Süden vordrangen. Ironischerweise war die Bar auf dem Dach alles andere als unterbesetzt.
Am zweiten Abend machte ich mich erneut nach oben auf, und fragte mich, ob die Sache wieder so ereignislos ablaufen würde wie gehabt. Nicht ganz, aber glauben Sie nicht einen Moment lang, dass ich ein Getränk bekommen hätte. Ich suchte mir selbst einen Platz und es kam ein Herr mit einem Salvador-Dali-Schnauzbart heran, um mich zu fragen, ob ich zufrieden sei. Da bejahte ich. Ich vermute, ich hätte ihm sagen sollen, dass ich mit einem Getränk noch zufriedener gewesen wäre, doch das erschien mir einen Hauch zu penetrant – und wer möchte schon wie ein ‚hässlicher Amerikaner‘ wirken, gerade heutzutage?
Er schüttelte enthusiastisch meine Hand, machte mir ein Kompliment über meinen Schnurrbart und stolzierte davon. Und wieder tauchte nie irgendwer auf, um eine Bestellung aufzunehmen. Ich rauchte meine Zigarette fertig und ging wieder. Meine Gruppe und ich hatten dort früher am Tag ohne Probleme einen Aperitif genossen. Vielleicht hat der Anblick von mir ganz allein Abscheu ausgelöst und das Personal hielt es für besser, mich in meiner Gewohnheit nicht zu unterstützen?
Auf dem Weg nach draußen warf ich zufällig einen Blick auf die Stelle, an der die Wand auf das Dach trifft, und bemerkte eine kleine Lampe, die normalerweise auf die Befestigung von Feuerlöschgeräten hinweist. Der Schriftzug darauf verkündete „Vietato Fumare“: „Rauchen verboten“. Die ganze Zeit über hatten ich und zahllose andere in einem Bereich geraucht, der offiziell als Nichtraucherzone ausgewiesen war! Viva Italia!
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg an die Riviera, wo wir in Sanremo und Cannes einige schöne, sonnige Tage verbrachten.
Wir sind mit Delta von Nizza nach Hause geflogen. Delta hat meiner Meinung nach die lächerlichsten Anti-Raucher-Ansagen vor dem Flug. Zuvor hatte die Fluggesellschaft sich die Mühe gemacht, uns daran zu erinnern, dass sogar rauchlose Tabakwaren an Bord verboten sind. Ach? War der Rauch nicht angeblich der Grund, weswegen das Verbot überhaupt eingeführt wurde?
In diesem Jahr feiert Delta sein 100-jähriges Bestehen und hat aus diesem Anlass eine spezielle Präsentation zur Flugsicherheit vor dem Flug erstellt. Sie zeigt echte Flugbegleiter in historischen Kostümen aus jedem Jahrzehnt des Bestehens von Delta, die sich auf einen bestimmten Aspekt konzentrieren. In einem Segment, das, wenn ich mich recht entsinne, in den 60er Jahren spielte, also lange vor den Rauchverboten in der Luftfahrt (oder sonstwo), holt ein Mann eine Zigarette hervor und steckt sie sich in den Mund. Die Frau neben ihm wedelt mit dem Finger vor seinem Gesicht, um ihm klarzumachen, dass Rauchen ein No-Go sei. Während der Mann vergrätzt schaut, blickt die Frau mit einem breiten, selbstgefälligen Lächeln und offensichtlich computergeneriertem Augenzwinkern in die Kamera. Das veranlasste mich dazu, dem Bildschirm einen ganz bestimmten meiner Finger zu zeigen.
Wieder daheim, lebe ich mich wieder in mein normales Leben ein. Gestern Abend war ich mit in einer tollen „Spelunke“, um mir die Band eines Freundes anzusehen. Rauchen durfte man dort aber nicht. Ich kann meinen nächsten Ausbruch kaum erwarten.